Ogham-Schrift 3. - 6. Jh.

Ogham TTF-Font
Die Ogham-Schrift ist nach dem irischen Gott Ogma (aus dem keltischen Göttervolk Túatha Dé Danann) benannt, der die Schrift beim beobachten der Kraniche, welche als die Hüter der Schrift galten, erfunden haben soll. Der irische (gälische) Name Ogham craobh wird mit "Baum" oder manchmal auch als "Stäbchen" übersetzt. Die Schrift wird auch nach den ersten drei Buchstaben beith luis fearn [Birke, Lebensbaum, Erle] oder beith luis nion [Birke, Lebensbaum, Esche] genannt.
Ursprünglich kannten die Kelten keine Buchstaben, obwohl ihre Kultur nachweislich durchaus hoch entwickelt war. Spätestens vom 2. Jahrhundert n. Chr. an verwendeten sie jedenfalls die ihnen eigene Ogham-Schrift.
Die Striche für die Buchstaben dieser Schrift sehen wie Zweige, die sich aus einem Ast entwickeln, aus.
Die Entstehung der Ogham-Schrift ist bis heute unklar und die Schriftzeichen sind anscheinend nicht von den kontinentalen Runen abgeleitet, sondern hingegen eine eigene Schriftvariante. Eine gewisse Verwandschaft zu den nordischen Helsingrunen ist allerdings unübersehbar (wobei hier unklar ist, ob die Helsingrunen irische Herkunft zeigen oder aber sich in ihnen atlantisch-insularer Einfluss niederschlägt).
Das Ogham-Zeicheninventar wird von Paläographen nicht im klassichen Sinne als Alphabet betrachtet.
Einer letztlich doch umstrittenen Hypothese nach ist die Ogham-Schrift von den antiken britisch/römischen Zählhölzern abgeleitet, deren Argumentation durchaus nicht unplausibel scheint.
Man fand über 500 Inschriften in Irland, Schottland, Wales und England, zum Teil in aufrecht stehende Steine eingeritzt, wie auch in Handschriften und alten Büchern aus der Zeit zwischen dem 2. und 7. Jahrhundert n.Chr. Auch in einer alten Handschrift des Priscian, die dem Kloster zu St. Gallen gehörte, haben sich Ogham-Zeichen gefunden.

Ballycrovane Ogham Stone
auf der irischen Halbinsel
Beara
                    (Foto: N. Bartz)

Eine ganze Reihe dieser alten keltischen und piktischen Inschriften sind bis heute nicht entziffert. Der Lautwert dieser Zeichen ist jedoch (zumindest über weite Teile) aus Inschriften bekannt, die sowohl in Ogham-Schrift, als auch lateinischen Buchstaben zweisprachig verfasst sind.

Da die Überlieferung der Stammesgeschichte, der Gesetze, der Literatur und der religiösen Tradition nur mündlich war, bedeutete die Schrift für "Reimkundige" eine potentielle Gefahr. Daher verriet der Sohn des großen Gottes Lùg, Òg Gùmas (der Junge Gùm) laut Sage das Geheimnis der Schrift zuerst nur den Frauen (vergleichbar mit den runenkundigen und daher magisch befähigten Frauen der Germanen).

Die in Stein geritzten Inschriften sind meist Namen von Personen oder Plätzen und in der Regel als Grenzmarkierungen zu verstehen (z.B. aus dem 5. Jahrhundert: ...TOVISIACI, [Sohn des] Häuptling[s] = Mac an Tòisich = MacIntosh).
Außer Grenzsteinen findet man noch Bestätigungen von Erbschaften, Orakeln und Widmungen.
Im Laufe der Christianisierung übernahmen dann die keltischen Völker das lateinische Alphabet, auf den atlantischen Inseln in der sogenannten "insularen" oder gerundeten Form (-> Unziale).

Da die irischen Gelehrten in Latein schrieben wissen wir bis teilweise zum 15. Jahrhundert sehr wenig über die Entwicklung des Keltischen und seine Schrift.
So wie die Germanen ihren Buch-Staben, d.h. entweder ins Buchenholz geritzte [Angesächs. wr_tan = "ritzen" > write] oder aus Buchenzweigen geformte Zeichen Namen gaben (FUTHARK), so gaben auch die Kelten ihren Buchstaben Namen. Die Buchstaben sind meist nach einem Baum oder anderen heimischen Pflanzen benannt und haben im Satzzusammenhang oft mehrere Bedeutungen.
Die einzelnen Buchstaben sind durch eine gerade Linie verbunden, welche den Ast eine Baumes versinnbildlicht, während die Buchstaben die Zweige darstellen.
Dieser Ast durchschneidet die Vokale (a, o, u, e, i, welche manchmal auch nur als Punkte auf dem Ast dargestellt werden) und die Buchstaben m, g, ng, z, r, ea und oi in der Mitte, während b, l, f, s, n, ui, ia, p unter und h, d, t, c, q, ae über dem Ast stehen.
Ogham (Ogam) wurde bei Inschriften vertikal von oben nach unten und in Handschriften horizontal von links nach rechts geschrieben.
Die Symbole Eite (Feder) und Eite thuathail (umgekehrte Feder) wurden am Anfang bzw. am Ende eines Satzes gebraucht.
Die Inszenierung von "Ast" und "Zweig" tritt durchaus sehr unterschiedlich auf, so wird bei dem oben abgebildeten Ogham Stone der Ast z. B. durch die vordere linke Ecke des Steines gebildet. Hier befinden sich die über dem Ast stehenen Striche auf der dem Meer zugewandten (Vorder-) Seite und die unter dem Ast stehenden Striche auf der nördlichen (auf dem Foto linken) Schmalseite. (mehr dazu...)

               
Zeichen  
Name Beith Luis Fern, Fèarn Sail Nion  
Pflanze Birke Lebensbaum Erle Weide Esche  
Wert b l f s n  

Zeichen  
Name Uath Dair Tinne Coll Quert  
Pflanze Weißdorn Stieleiche Stechginster Haselnuß Wild-Apfel  
Wert h d t c q  

Zeichen  
Name Muin Gort nGéadal Straif Ruis  
Pflanze wilder Wein Efeu Schilfrohr Schlehe schwarzer Holunder   
Wert m g ng z r  

Zeichen  
Name Ailm Onn Úr Eadhadh Iodhadh  
Pflanze Ulme Ginster Zwergeibe Espe Eibe  
Wert a o u e i  

Zeichen  
Name Éabhadh Ór Uilleann Ifín Eamhancholl  
Entsprechung ? Gold Ellbogen Kiefer ?  
Wert ea oi ui ia ae  

Zeichen    
Name Beith bhog Eite Spás Eite Thuathail    
Entsprechung ? Feder   umgekehrte Feder    
Wert p Satzanfang Leerzeichen Satzende    
Ballymote Manuskript

Ogham Handschrift aus dem Book of Ballymote (heute in der Royal Irish Academy in Dublin aufbewahrt) aus dem 14. Jh., welches eine Sammlung von irischen Sagen, Gesetzestexten und Stammbäumen sowie Erläuterungen zur Ogham-Schrift enthält. Es wird angenommen, dass es sich bei der abgebildeten Seite um eine Abschrift eines Manuskriptes aus dem 9. Jh. handelt.

[Vergrösserte Abbildung]