Nefertari

"Wer einmal das Wasser des Nils getrunken hat, muss den Nil wiedersehen. Kein anderes Wasser auf Erden kann seinen Durst mehr löschen. Wer im hunderttorigen Theben gewesen ist, der sehnt sich nach Theben zurück, denn es gibt keine zweite Stadt der Welt, die Theben gleicht." So befindet Mika Waltari in "Sinuhe, der Ägypter". Und so war ich mal wieder in Luxor um nachzuschauen, ob Nil, Tempel und Pharaonengräber noch da sind. Was ist es doch für ein unsägliches Land! "Nirgends sonst in der Welt sind so viele wunderbare Dinge und erstaunliche Werke zu sehen!" dichtet Herodot zu Recht. Tausende von Jahren alte Kunst- und Kulturschätze, antike und neuzeitliche technische Wunderwerke, die größte Oase am längsten Fluss der Welt, malerische Wüsten und Unterwasserparadiese, der Berg des Moses und die heiligsten Klöster, alles in einem Land. Es soll ein Viertel der antiken Schätze enthalten haben, bevor sie in den großen Museen der ganzen Welt verschwanden, und ist immer noch eine scheinbar unerschöpfliche Schatzkammer.

        "Die Schönste von allen" heißt Nefertari. Leider nicht für mich. Ihr Grab, das schönste von allen im Tal der Königinnen, 1904 von Ernesto Schiaparelli entdeckt, erst seit 1995 für das Publikum geöffnet, war leider mal wieder geschlossen. Zutritt haben ohnedies nur 150 Personen pro Tag, in Gruppen von 10, die jeweils höchstens 15 Minuten verweilen dürfen. So sollen die einmaligen Wandmalereien etwas gegen die menschlichen Ausdünstungen geschützt werden, nachdem sie über drei Jahrtausende im wüstentrockenen Klima erhalten blieben. Vielleicht in einem anderen Jahr oder in einem anderen Leben. Oben ist wenigstens ein Photo. Darauf bringt Nefertari, die Lieblings- und erste Hauptfrau des Pharao Ramses II (1290-1224 v. Chr.) Hathor ein Opfer dar. Hathor mit den Kuhhörnern war die Göttin der Liebe, der Musik und der Freude. Der Sonnengott Re hatte sie zur Erde geschickt, um die Menschen zur Strafe zu vernichten. Sie führte ihren Auftrag jedoch nicht aus.

        Statt diesem Grab der Gräber habe ich wieder Lebensbilder und Totenbücher an anderen Stellen betrachtet, meist von Heiterkeit und Lebensfreude durchdrungen. Ein Ausdruck des Wohllebens in diesem reichsten der alten Länder. Die Schönheit spricht mit harmonischen Farben, anmutiger Zeichnung, klarem Ausdruck, großem Frieden, tiefer Menschlichkeit jeden an, ob Professor oder Arbeiter.

        Wenig Glück hatte ich auch mit dem neuesten Sensationsfund des amerikanischen Ägyptologie-Professors Kent Weeks: Seit 1995 gräbt er das bisher größte Grab im Land aus. Es ist die bedeutendste Entdeckung seit Tut-anch-Amun. Howard Carter hatte schon bei der Freilegung des Grabes von Tutenchamun 1922 den Gang zu diesem "Grab No. 5" gefunden, ihn aber nicht weiterverfolgt, sondern ihn mit dem Geröll des Tut-Grabes wieder zugeschüttet. "King Valley Tomb No. 5" hat wahrscheinlich etwa 150 Kammern. Die Grabungen dauern an. Vielleicht waren 50 Söhne des Ramses II darin bestattet. Gottkönig "Ramsex" der Große, der Sieger (?) in der Schlacht von Kadesch (beim heutigen Aleppo in Syrien) gegen den "Erbfeind", die Hethiter, zeugte fast 200 Kinder.

         DNA-Analysen stoßen in Ägypten auf Widerstand des Parlaments. (Man will wohl nicht so genau wissen, von wem die Pharaonen eigentlich abstammten. Wäre ja auch nicht so erbaulich, wenn man eine Abstammung etwa von den Chinesen oder Indianern feststellen würde. ;-) Daher können und sollen fünf bisher gefundene Mumien nur röntgenologisch untersucht werden. Inch'Allah.
Mehr im Buch "The last Tomb" von Weeks und im Internet unter thebanmappingproject.com (Portal mit bemerkenswerten Photos, das bis zu drei Millionen Mal monatlich besucht wird. Fast so gut wie da gewesen!).
Die Ägypter haben von Schliemann, Lord Carnarvon & Co. gelernt und Kent einen Inspektor vor die Nase gesetzt, der weder Presse-Erklärungen noch Grabbesuche gestattet. Pech!

        Aber es war schon höchst erfreulich, das großzügige Museum, den Karnak-Tempel mit dem Wald von 134 Papyrus-Säulen von 25 m Höhe, eine Reihe von Gräbern wiederzusehen, immer wieder über die Corniche zu radeln, auf einer Seite die 20 m hohen Säulen des Luxor-Tempels (abends malerisch beleuchtet), auf der anderen den Fluß mit seinen pathetischen Wasserfahrzeugen, und das morgenländische Leben zu genießen mit interessanten Gesprächen, Handeln um Papyri und David-Roberts-Lithos, leckeren Täubchen und viel, viel frisch gepresstem Zuckerrohrsaft. Denn es wurde schon heiß. Im Sommer steigt das Quecksilber hier ja auf 40-50°.

        Im Hotel Winter-Palace gab es auf allen acht Etagen des neuen Flügels eine schöne Ausstellung von Neudrucken der "Découverte de l'Egpte", darunter diese

Isis-Tempel    Isis-Tempel

        Ansicht des Isis-Tempels von Philae vom Orient-Institut in Paris (orient@club-internet.fr). So schön waren die Farben durch die schützende Versandung noch zu Napoleons Zeit! Mein Scanner hat sie leider nur sehr blass erfasst.

        Lustigerweise zeigen Fotos des Tempels, dass der Zeichner Napoleons die Stütz-Mauern über den Säulenkapitellen zu niedrig dargestellt hat. Die obige Aufnahme ist auch schon wieder Geschichte. Der Tempel ist darauf teilweise überschwemmt durch den ersten, kleineren Staudamm von 1902, damals die größte Talsperre der Welt. Vor dem Bau des Hochdamms (vollendet 1971) wurde er dann ja auf die Insel Agilkia umgesetzt (gleichzeitig mit der Höherlegung von Abu Simbel). Dass die Säulen überhaupt verlängert wurden, mag auf Wiederverwendung von Teilen eines früheren Bauwerks oder auch nur auf eine Erhöhung des Daches deuten.

Klaus G. Müller, 2004
(Reiseschriftsteller)